Bitte stellen Sie Ihre Schriftgröße ein:              

Kontrastfunktion aktivieren:  

Linsenbreder: Ohne Jugend ist kein Staat zu machen! (26. März 2010)

 


Linsenbreder: Ohne Jugend ist kein Staat zu machen! 

Bezirk Unterfranken schreibt sein Kinder- und Jugendprogramm fort
Fachtagung „Jung sein – was heißt das heute?“ in Würzburg

 

Gaben den Auftakt zur Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms des Bezirk Unterfranken (von links): Dr. Mike Seckinger vom Deutschen Jugendinstitut, Bezirkstagsvizepräsidentin Eva-Maria Linsenbreder, Bezirksjugendring-Vorsitzender Tilo Hemmert und Karsten Eck von der Bezirkshauptverwaltung, der als Geschäftsführer des Jugendbeirats die Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms des Bezirk Unterfranken federführend begleitet. (Foto: Mauritz)

 

Würzburg. (mm) „Die Zeiten, in denen die jungen Menschen heute leben, ändern sich, und diesen Zeiten entsprechend ändern wir das Kinder- und Jugendprogramm des Bezirk Unterfranken.“ Dies erklärte Bezirkstagsvizepräsidentin Eva-Maria Linsenbreder am Donnerstag (25. März) zur Eröffnung der Fachtagung „Jung sein – was heißt das heute?“ in Anspielung an den oft zitierten Aphorismus, wonach sich „die Zeiten ändern und wir uns mit ihnen. Diese von Bezirk und Bezirksjugendring gemeinsam organisierte Veranstaltung im Jugendbegegnungshaus „Windrad“ in Würzburg bildete zugleich den Auftakt zur Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms des Bezirk Unterfranken. 

Gesellschaftliche Veränderungen wie zum Beispiel die voranschreitende Überalterung, die wachsende Zahl junger Menschen mit so genanntem Migrationshintergrund, die Kinderarmut, die Situation von Menschen mit Behinderung, die demographischen Entwicklungen im ländlichen Raum und vieles mehr stellten die Jugendpolitik und die Jugendarbeit vor neue Herausforderungen, so Linsenbreder weiter. Dabei sei die Jugend an sich schon eine komplizierte Lebensphase. In die Jugendzeit fielen die Pubertät, das Ende der Schulzeit, der Beginn der Berufsausbildung oder des Studiums, die Abnabelung vom Elternhaus und ähnliches. „Wir tun also gut daran, uns um die Bedürfnisse der jungen Leute zu kümmern“, stellte die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin fest: „Denn ohne Jugend ist kein Staat zu machen!“ 

Als Referenten hatten Bezirk und Bezirksjugendring einen fachkundigen Experten geladen: Dr. Mike Seckinger vom Deutschen Jugendinstitut arbeitete in seinem Grundsatzreferat die „gesellschaftlichen Veränderungen in Bezug auf junge Menschen und Herausforderungen an die Jugendarbeit“ heraus und stellte einige Ergebnisse der Enquete-Kommission „Jung sein in Bayern“ vor. Unterbrochen wurde das Referat von mehreren ausführlichen Diskussionsrunden, die der Vorsitzende des Bezirksjugendrings, Tilo Hemmert, moderierte. 

Seckinger eröffnete seinen Vortrag mit der Feststellung, dass es „die“ Jugend nicht gebe. Es gebe stets „unterschiedliche Formen des Jungseins“. In diesen Formen spiegle sich die zunehmende Spaltung der Erwachsenen-Gesellschaft. Deshalb unterstütze moderne Jugendpolitik die Jugendlichen „bei der Bewältigung ihrer alterstypischen Anforderungen“, wie bereits der Bayerische Landtag in seiner Enquete-Kommission festgestellt habe. Dies bedeute, zu berücksichtigen, dass sich junge Menschen noch in ihrer Entwicklung befänden und sie „unterschiedliche Identitätsentwürfe erproben und ihre Möglichkeiten und Grenzen ausloten“ wollten. Jugendpolitik sei so gesehen eine Querschnittspolitik, sie müsse den jungen Menschen die Chance zur Beteiligung bieten und die „Möglichkeit der Weltaneignung eröffnen“. In jedem Fall sei Jugendpolitik „Lobbyarbeit für Jugendliche“, machte Seckinger deutlich. 

Erstauntes Raunen löste Seckinger aus mit seiner Feststellung, dass die Geburtenquote in Deutschland seit Jahrzehnten unverändert sei. Früher sei sie lediglich durch Zuwanderung aufgefüllt worden. Die Zahl der unter 18-Jährigen werde daher bis 2028 „nur“ von 2,36 auf 2,06 Millionen sinken – prozentual immerhin eine Abnahme um 12,4 Prozent. Allerdings werde die Bevölkerung immer älter: in Bayern werde der Anteil der über 60-Jährigen im Vergleichszeitraum von 3,08 auf 4,14 Millionen steigen – eine Zunahme um 36,60 Prozent. 

Seckinger unterstrich in diesem Zusammenhang die regionalen Unterschiede der demographischen Veränderungen. Insbesondere die ländlichen Räume seien davon betroffen, wenn etwa die Zahl junger Menschen in einem Dorf dramatisch sinke und es nicht mehr die Infrastruktur gebe, um Jugendbegegnungen zu ermöglichen und soziale Netzwerke aufrecht zu erhalten. So betrachtet werde Jugendpolitik zu einem sehr wichtigen Standortfaktor, sagte Seckinger. 

Ausführlich beschäftigte sich Seckinger mit der Bedeutung des Ehrenamts in der Jugendarbeit. Dies sei für die jungen Leute die Möglichkeit, „verschiedene Identitäten zu erproben“. Zudem sah Seckinger in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, eine Möglichkeit, „das eigene Tun als sinnhaft zu begreifen“ und zu erfahren, dass „die Welt gestaltbar ist“. Die Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags habe daher ganz deutlich eine bedarfsgerechte staatliche Förderung des Ehrenamts und der Strukturen, die ehrenamtliches Engagement ermöglichen, gefordert, unterstrich Seckinger in diesem Zusammenhang. 

Zunehmend werde die Jugendarbeit zu einem „verlängerten Arm der Schule“, stellte Seckinger fest. 44 Prozent der Jugendverbände arbeiteten mit Schulen zusammen. Zu den Effekten dieser Kooperationen rechnete Seckinger das Erreichen neuer Zielgruppen und das Entwickeln neuer Angebotsformen. Er machte aber auch deutlich, dass den Jugendverbänden daraus keine finanziellen Vorteile erwüchsen und dass sie eventuell Probleme mit ihrem Selbstverständnis bekämen. Vehement forderte Seckinger die Vertreter der Jugendverbände auf, die Mitarbeit in Schul- oder Lehrerkonferenzen zu suchen. 

In Anlehnung an die Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags plädierte auch Seckinger für einen einheitlichen schulfreien Nachmittag, damit sich Jugendliche auch außerhalb des Klassenverbands treffen und engagieren könnten. Sonst verlaufe die Entwicklung der jungen Menschen „zu alters- und bildungshomogen“, sagte Seckinger.


Das Referat von Dr. Mike Seckinger bieten wir Ihnen hier als PDF-Dokument zum Herunterladen an.


 

drucken Drucken
Ansprechpartner:
Pressereferat
Silcherstraße 5
97074 Würzburg
Tel: 0931 7959-1617
Fax: 0931 7959-2617